Die lustigsten Geschichten sind meist die erlebten Peinlichkeiten. Zumindest für die Leser. Im Leben geht garantiert nicht immer alles glatt und manchmal vergisst man, bevor man mit dem Reden beginnt, auch das Denken. Ein fataler Fehler, wenn es darum gehen soll, geschmeidig durch die eigene Vita zu kommen. Ich habe mich mittlerweile damit arrangiert, dass mein Weg mit Fettnäpfchen gepflastert ist, ich grundsätzlich in sie hineintrete und darin bis zum Hals versinke. Aber zum Glück gibt es ja Duschen.
Und sollten Sie auch einer von den Glücklichen sein, die in peinlichen Situationen regelmäßig baden, seien Sie sich gewiss: In diesem exklusiven Club sind Sie nicht allein!
Wie damals in dem wunderschönen Kirchenkonzert:
Die gelb und weiß gestrichene, evangelische Stadtkirche in einer hiesigen Kleinstadt lud immer wieder mal zu wunderbaren Konzerten ein. Es stand ein Requiem, also ein Totengesang, von Mozart auf dem Programm. Festlich gekleidete Menschen, meist mit grauen Haaren, füllten die Kirche bis zum letzten Stuhl. Ausverkauft! Ich hatte einen exponierten Platz auf dem ersten Rang. Das hatte den Vorteil, das Orchester und die Solisten komplett überblicken zu können und gleichermaßen den Nachteil, von allen Konzertbesuchern gesehen zu werden. Was sich in meinem Falle noch als sehr unangenehm herausstellen sollte:
Die Dirigentin hob den Taktstock, das Publikum wurde schlagartig still, die Bamberger Symphoniker begannen zu spielen und die Solisten sangen engelsgleich. Ich war entrückt und schwelgte in der schweren und wallenden Musik. Requiems sind in der Regel ohne Pause und die intensiven 80 Minuten vergingen wie im Flug. Und auf einmal war wieder Stille in der Kirche. Das Konzert war zu Ende.
Nur ein paar wenige Sekunden hielten alle Zuhörer die Luft an. Bis auf mich!
Mein Herz pochte voller Inbrunst und Freude! Mich hielt es nicht mehr auf dem Stuhl. Ich war so begeistert, dass ich sofort aufstand und los-applaudieren musste. Ich schlug die Hände voller Enthusiasmus zusammen und es dauerte unendliche zehn bis zwölf Schläge, bis ich merkte, dass ich der Erste und der Einzige war, der „brüllend“ in die Hände klatschte. Eine raunende Woge von Schschts und Pssssts schlug mir entgegen.
Mir wurde schlagartig klar, dass hier was nicht stimmte, dass hier jemand völlig verkehrt war. Und der jemand war ich!
Ich erstarrte, ich errötete in tiefer Scham. Hunderte Gesichter schauten mich gleichzeitig grimmig an. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, direkt von einem donnernden Blitz getroffen zu sein. Ich wäre am liebsten tief im Erdboden versunken.
Nun, was lernen wir daraus?
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Im Programmheft, welches kostenlos jeder am Eingang erhalten hatte, stand in großen Lettern zu lesen:
Dies ist in Gedenken der Toten!
Es wird gebeten, von Beifall Abstand zu nehmen!
Ihnen wünsche ich noch sehr viele inspirierende Konzertbesuche. Möge die Musik Sie beflügeln und glücklich machen.
Ihr
Thorsten Drechsler
Foto: Koldunova_Anna