Ja mit dem unfallfreien Essen ist das so eine Sache

Messer und Gabel können immer ein hohes Risiko in sich bergen, unangenehm aufzufallen. Sicher bin ich nicht der Einzige, der damit seine unglücklichen Erfahrungen gemacht hat:In meiner Kindheit luden meine Eltern immer gerne Gäste zum Mittagessen ein. Vor allem Geschäftskollegen meines Vaters wurden da verköstigt.Meine Mutter liebte die ganz einfache, klare Hausmannskost. Dafür war immer was im Haus. Das musste es auch, denn mein Vater hatte die unberechenbare Angewohnheit, seine Kollegen eine Stunde vorher anzumelden.

Dieses Mal war es ein Herr aus Brasilien, der ausschließlich Englisch mit uns sprach, was uns mit unseren rudimentären Kenntnissen komplett überforderte. Man lächelte viel und überspielte damit jegliche Unsicherheit. Gastfreundschaft über alles!

Da es diesmal mit der Einladung ganz besonders knapp zuging, entschied sich meine Mutter für heiße Fleischwurst mit Kartoffelsalat. Sie kaufte die Wurst schon immer in ganzen Ringen und liebte es, diese zu dritteln und anzubraten. Ein wenig scharfer Senf dazu und schon ist eine kleine deutsche Vorstadt-Familie glücklich.

Ein Brasilianer dagegen steht vor einem Rätsel. Man muss wissen, wenn man eine Fleischwurst scharf anbrät, quillt die Wurst etwas auf, die Haut aber bleibt starr. Es entsteht sozusagen ein Spannungsfeld zwischen der Wurst und dem Darm. Versucht man dann mit der Gabel die Wurst aufzuspießen, ist das ein fast unmögliches Unterfangen. Deswegen sticht man die Gabel direkt am Anfang ins Met und kann die Wurst dann nach und nach schneiden und genießen. Dieses elementare Wissen fehlte leider dem Südamerikaner.

Ich hatte große Freude, ihm schweigend zuzuschauen:

Wir saßen zu viert am Tisch und der Gast versuchte vergebens, seine Wurst mit der Gabel zu fixieren. Nach dem zweiten Fehlversuch und ein paar unsicheren Blicken in unsere Runde setzte er die Gabel erneut an und drückte mit voller Wucht auf die Wurst. Es heißt ja in der Physik, Energien gehen nie verloren, sie verwandeln sich nur.

Die Sprungenergie der Wurst war gewaltig

Sie hüpfte über zwei Meter vom Teller, über den Tisch, scharf am rechten Auge meines Vaters vorbei. Landete hart auf dem Boden und sprang wie ein Gummiball weiter – bis in die letzte Ecke des Wohnzimmers. Das Witzigste dabei war, das wir alle vier der Fleischwurst gleichzeitig hinterher schauten und mit den Köpfen synchron die hüpfenden Bewegungen bis zum bitteren Ende nachmachten. Es war zum Schreien komisch! Als die Wurst schlussendlich zum Erliegen kam, gab es eine kurze, peinliche Pause. Ich füllte sie kurzerhand aus, indem ich schrie: „Toooooor! Eins zu null für Brasilien!“

Danach musste ich meinen Nachmittag etwas umplanen. Ich bekam Zimmerarrest.

Das Leben birgt immer Risiken, macht aber echt Spaß!

In diesem Sinne Ihnen eine wunderbare Zeit

Ihr

Thorsten Drechsler

Foto: Kerkez