Auf der ersten Seite der Main-Post vom 21. April 2016 war zu lesen: „Bayern ändert Notenschutz für Legastheniker – Nur noch „Kann“-Bestimmung bei Umgang mit betroffenen Schülern ab Herbst“. Wollte sich der Freistaat tatsächlich von der bereits seit 1999 praktizierten Regelung verabschieden, wonach bei Schülerinnen und Schüler mit einer Rechtschreibstörung die Rechtschreibleistung nicht in die Benotung einfließt? Dabei ist zu beachten, dass fünf bis sieben Prozent der Kinder unter einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung leiden.

Die bisherige Bekanntmachung des Kultusministeriums vom 16.11.1999 enthielt deutschlandweit einzigartig einen solchen Rechtsanspruch auf Notenschutz. Das Bundesverwaltungsgericht hatte jedoch mit Urteil vom 29.07.2015 klargestellt, dass eine solche Bevorzugung von Kindern mit einer solchen Behinderung zwar möglich sei (6 C 35.14). Sie müsse aber im Gesetz eine Grundlage haben. Und die fehlte eben. Die Richter in Leipzig hatten daher eine Frist bis Juli 2016 gesetzt, in der noch die alte Rechtslage gelten sollte. Bayern stand also unter Zugzwang, rechtzeitig bis zum 01.08.2016 dies nun nachzuholen.

Mit Änderung des Schulgesetzes (BayEUG) vom 23.06.2016 und der Aufnahme weiterer Regelungen in einer neuen Schulordnung vom 01.07.2016 (BaySchO) ist man rechtzeitig zum 01.08.2016 den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nachgekommen. In der Plenardebatte im Bayerischen Landtag stellte der zuständige Staatssekretär Eisenreich: „Wichtig ist, dass es auch künftig einen Anspruch auf Notenschutz geben wird.“ Und weiter: „Es gibt also keinerlei Verschlechterungen für die Schülerinnen und Schüler, sondern die Möglichkeiten werden in eine Rechtsnorm gefasst und inhaltlich sogar erweitert.“ Entgegen der ursprünglichen Textfassung, die auch der Main-Post bei ihrer Berichterstattung noch vorlag, konnte durch die Betroffenen und die Fachleute aus der Wissenschaft erreicht werden, dass der Rechtsanspruch auf Notenschutz erhalten bleibt. Neben diesem gibt es nach wie vor den sog. Nachteilsausgleich – also vor allem die Schreibzeitverlängerung. Anders als bislang kann man sich nun aber auch für eines von beidem entscheiden – im Einzelfall sicher auch ein Fortschritt. Die weiteren Einzelheiten zur Umsetzung der neuen Regelungen werden Gegenstand einer Handreichung sein, die laut Auskunft des Kultusministeriums im nächsten Jahr veröffentlicht wird.

Und was ist mit der Rechenstörung – also der Dyskalkulie? Obwohl in der Kinder- und Jugendpsychiatrie diese weltweit mittlerweile wie die Legasthenie als Störung anerkannt ist, weigert sich das Kultusministerium, auch für diese Behinderung Regelungen vorzusehen. So könnte man zumindest an eine Schreibzeitverlängerung –also einen Nachteilsausgleich – denken. Die Forderung der Verbände auf Aufnahme zumindest einer solchen Regelung auch bei der Rechenstörung wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, die Dyskalkulie sei mit der Legasthenie nicht zu vergleichen. Leider ein Rückschritt für die betroffenen Kinder.

Ich wünsche (gleichwohl) schöne und erholsame Sommerferien!

Ihr Dr. Johannes Mierau

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familien- und Erbrecht