„Natürlich kann ich den Kinderwagen im Hausflur abstellen – wo denn sonst!“ – „Muss das denn sein, all der Dreck im Treppenhaus! Man kommt ja nicht einmal mehr ungehindert zu seiner eigenen Wohnung!“ So oder ähnlich gibt es immer wieder Streit unter den Hausbewohnern oder zwischen Mieter und Vermieter über Kinderwagen.
Wie oft ist auch hier die Rechtslage auf den ersten Blick nicht eindeutig. Ganz allgemein ist darauf hinzuweisen, dass das dem Mieter zustehende Recht auf Nutzung der sog. Gemeinflächen – also z.B. Treppenhaus oder Hof – ihm natürlich nicht uneingeschränkt zusteht. Es muss sich um eine angemessene, vertragsgemäße Nutzung handeln, die die Mitbenutzungsrechte der anderen Mieter nicht zu sehr einschränkt. Ein Mieter hat nur dann einen Anspruch auf Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen, wenn von den dort abgestellten Gegenständen keine Gefahr ausgeht. Mieter können auch einen Kinderwagen im Hausflur abstellen, wenn ihnen unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters und der Belange der Mitmieter das Verbringen in ihre Wohnung unzumutbar ist (BGH, Urteil vom 10.11.2006 – V ZR 46/06).
Es kommt also mal wieder auf den Einzelfall. Klar macht es doch einen Unterschied, ob in einem Altbau ohne Aufzug die Familie mit Kind im vierten Stock wohnt oder ob man „barrierefrei“ im Erdgeschoß oder eben über einen Aufzug seine Wohnung erreicht. Bis zu welchem Stockwerk dem Mieter zuzumuten ist, den Kinderwagen auch nach oben mitzutragen, ist nicht allgemein festgelegt. Man wird auch die Situation der anderen Mitbewohner berücksichtigen müssen. Gibt es mehrere Familien mit Kinderwagen, oder etwa auch Senioren mit Rollator oder Rollstuhl? Nicht dass es am Ende noch zum Stau der Fahrgeräte der einzelnen Hausbewohner kommt…
Gegen den Kinderwagen im Hausflur wird vereinzelt eingewandt, dass im Brandfall dieser ein Fluchthindernis darstelle. Es gibt jedoch keine Brandschutzbestimmung, nach der keine Kinderwagen im Treppenhaus abgestellt werden dürfen (LG Berlin, Urteil vom 15.09.2009 – 63 S 487/08).
In diesen Zusammenhang gehört schließlich die Frage, ob ein Mieter oder ein Wohnungseigentümer die Anbringung von Schienen auf den Treppen hin zum Hauseingang verlangen kann, um damit leichter fahren zu können. Wer kennt das Runterpoltern mit dem Kind im Kinderwagen über die Stufen nicht ! Soweit ersichtlich ist die Rechtsprechung bei diesem Thema eher zurückhaltend. Auch hier muss man abwägen zwischen den Vorteilen für die Eltern mit Kinderwagen und den Nachteilen, die sich durch den Umbau einer Treppe bis hin zu einer Rampe ergeben (AG München, Urteil vom 09.08.2013, 481 C 21932/12 WEG). Ins Gewicht fällt vor allem, dass Personen bei Dunkelheit, Feuchtigkeit, Schneefall oder Eisglätte aus Versehen auf die Rampe gelangen, ausrutschen, stürzen und sich dabei erheblich verletzen können.
Das Zusammenleben erfordert eben immer auch Kompromisse ! Toleranz und Achtung gegenüber dem anderen spielen dabei eine wichtige Rolle.
In diesem Sinne,
Ihr Dr. Johannes Mierau
Fachanwalt für Familien- und Erbrecht
Rechtsanwälte Dr. Vocke & Partner