Leben die Eltern eines Kindes getrennt, gibt es bekanntlich sehr oft Vereinbarungen zum Umgang. Jeder Einzelfall ist immer wieder anders gestaltet. Der Standard bei Schulkindern ist meistens der, dass das Kind jedes zweite Wochenende zu dem Elternteil geht, bei dem es sich gewöhnlich nicht aufhält. Gerade bevor der „Ernst des Lebens“ mit der Schule beginnt, kommt es zu ganz individuellen Lösungen, hier mal ein Betreuungstag unter der Woche mehr, dort eher ein Ausgleich durch verlängerte Ferienregelungen.
Wie ist aber nun im speziellen Fall, dass beide Eltern jeweils Leistungen nach dem SGB II (immer noch landläufig als „Hartz IV“ bezeichnet) beziehen. Befindet sich das Kind bei dem umgangsberechtigten Elternteil – zumeist ja nach wie vor beim Vater, trägt dieser selbstverständlich auch die Kosten für den Lebensunterhalt, also etwa für Essen, Trinken, Wohnen etc. – die Kosten für den Lebensunterhalt seines Kindes zu übernehmen. Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass minderjährige Kinder, die sich nur mit einer gewissen Regelmäßigkeit länger als einen Tag bei de, anderen Elternteil aufhalten, einen Anspruch auf Sozialgeld haben (BSG, Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 5012 R). Man spricht in diesem Zusammenhang von der „temporären Bedarfsgemeinschaft“. Das Kind lebt also in zwei Bedarfsgemeinschaften, sozusagen in der regulären und temporären. Für jeden einzelnen Tag mit mehr als zwölf Stunden Aufenthalt hat das Kind einen eigenen Anspruch auf Regelleistungen, 2014 sind dies altersabhängig 7,63 € / 8,70 € / 9,87 €. Bei einem üblichen Umgangswochenende von Freitag 17.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr kommen also zwei Tage zusammen und damit maximal ca. 20,00 € pro Wochenende. Dies führt aber dann dazu, dass beim anderen Elternteil für die betreffenden Tage der Anspruch entsprechend zu kürzen ist. Unterm Strich kann es eben nicht mehr Förderung als für 30 Tage geben.
Bleibt zu fragen, wie dies alles in der Praxis umgesetzt werden soll? Selbst wenn eine feste Umgangsregelung vorliegt, wird eine tagegenaue Abrechnung tatsächlich oft nur nach Monatsende möglich sein. Denkt man weiter, entsteht ein enormer Arbeitsanfall beim Jobcenter, da die jeweiligen Bewilligungsbescheide – sowohl für Mutter wie auch für Vater – abzuändern sind, beim einen 1/30 Regelleistung für das Kind pro Tag weniger, beim anderen entsprechend mehr. Hat ein Elternteil Leistungen für Tage erhalten, an denen sich das Kind nicht bei ihm aufgehalten hat, kommen Rückforderungsansprüche des Jobcenters gegen ihn in Betracht. Aktuelle Urteile sind hierzu jedoch (noch) nicht veröffentlicht. Rein pragmatisch könnte man nun daran denken, dass zur Vermeidung dieses erheblichen Verwaltungsaufwandes einfach der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, dem anderen die Regelleistung anteilig auszahlt. Einen Anspruch hierauf kennt das Gesetz jedoch nicht.
Natürlich kann eingewendet werden, dass der ganze Aufwand bei so geringen Beträgen nicht gerechtfertigt ist. Bedenkt man jedoch, dass der Umgang dem Wohle des Kindes dienen soll – immer vorausgesetzt, die Eltern können trotz Trennung voneinander mit der Situation richtig umgehen ! – sind auch solche Themen zu lösen.
Ihr Dr. Johannes Mierau
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familien- und Erbrecht