„Muss ich jetzt mein Haus verkaufen und mein Gespartes hergeben?“ Die 85jährige Mutter war ins Pflegeheim gekommen. Vor mir saß nun die Tochter und sollte Auskunft zu ihren Einkünften und Vermögen geben, ob sie sich an den „ungedeckten Kosten“ von gut 900 € pro Monat beteiligen muss.
So wie Eltern ihren Kindern Unterhalt – grundsätzlich bis zum Abschluss einer Berufsausbildung – schulden, so trifft umgekehrt auch die Kinder eine Unterhaltspflicht gegenüber ihren Eltern. Klassischerweise tritt für die Eltern der zuständige Träger der Sozialhilfe – bei uns zumeist der Bezirk – auf und verlangt „aus übergegangenem Recht“ eine finanzielle Beteiligung. Dieser Anspruch auf Elternunterhalt ist jedoch sehr viel schwächer als der Kindesunterhalt. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt grundsätzlich fest: „Niemand soll durch den Elternunterhalt eine spürbare und dauerhafte Senkung seiner Lebensverhältnisse hinnehmen müssen, es sei denn, er lebe im Luxus.“ (XII ZR 266/99). Nahezu alle anderen Unterhaltsansprüche – z. B. gegenüber den eigenen Kindern und dem Ehegatten – gehen vor, sind also bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit zum Elternunterhalt vorher abzuziehen. Auch bei der Einkommensermittlung gibt es eine Vielzahl von Vergünstigungen für das Kind: So bleiben zum Beispiel Zinserträge, die der eigenen Altersvorsorge zufließen, völlig außer Betracht. Eine zusätzliche Altersvorsorge – wie z.B. Riester- oder Rürupverträge – kann mit 5 % der sozialversicherungspflichtigen Einkünfte und in Höhe von 25 % der übrigen Erwerbseinkünfte abgezogen werden. Und schließlich gelten vor allem hohe Freibeträge (1600 € + ½ des Mehrbetrages, bei Eheleuten mind. 2.880 €). Übrigens können selbst die Besuchskosten des Kindes bei den Eltern im Pflegeheim in Abzug gebracht werden.
Zurück zum Ausgangsfall. Die Mandantin hatte die Sorge, dass sie ihre Immobilie aufgeben müsse. Das eigene Haus muss für den Elternunterhalt jedoch weder veräußert noch belastet werden (Dose, FamRZ 2013, 997). Selbst Wochenend- und Ferienwohnungen können geschützt sein, wenn sie regelmäßig genutzt werden und noch nicht als Luxus einzustufen sind. Der BGH hat nun in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass der Wert der selbst genutzten Wohnung auch nicht in das sog. Altersvorsorge-Schonvermögen einzurechnen ist (Urteil vom 07.08.2013, XII ZB 269/13). Die 3-Zimmer-Wohnung des Kindes mit ca. 115.000 € blieb außer Betracht, so dass auch das übrige Vermögen (Geld, Versicherungen etc.) nicht für den Elternunterhalt aufgebracht werden muss. Nach einer zugegebenermaßen etwas komplizierten Berechnung – es gab auch noch Geschwister und der Ehegatte hatte höhere Einkünfte – konnte ich meine Mandantin beruhigen. Ihr Vermögen bleibt unangetastet. Aus dem Einkommen hatte sie sich im konkreten Fall mit ca. 100 € am Unterhalt zu beteiligen.
Es soll also wirklich nur der zum Unterhalt verpflichtet werden, der es ohne echte Einschränkung seines derzeitigen Lebensstandards sich auch leisten kann. Und sicher darf man auch nicht nur das Finanzielle sehen. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit in die leuchtenden Augen der Enkel zu sehen, erfreut die Eltern und Großeltern – erst recht im Heim – sicher am meisten!
Ihr Dr. Johannes Mierau
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familien- und Erbrecht